Waldbaden und Kunst im Siebentischwald
Der zweite Künstlerworkshop des IDK „Um(Welt)Denken“ begann bei leichtem Regen. Der Forstwissenschaftler, ehemalige Förster und Forstbeamte Wolfgang Sailer führte die Gruppe durch den Siebentischwald und erklärte die Geschichte des Waldes und dessen immense Bedeutung für die Gesundheit der Stadtbevölkerung. Da die Temperaturen im Wald um 4 bis 5 Grad Celsius unter den städtischen Temperaturen liegen, ist es sinnvoll, zusammenhängende Pflanzungen in die Stadt zu bringen, um die Auswirkungen der globalen Erwärmung auf alle Lebewesen zu bekämpfen. An einer Weggabelung folgten wir der Fotografin, Umweltpädagogin und IDK-Doktorandin Pia Wimmer mit geschlossenen Augen auf einem schmalen Pfad zwischen den Bäumen. Das als „Waldbaden“ bekannte Konzept erwies sich als perfekter Auftakt für die anschließende kreative Aktivität.
Die Künstlerin Eva-Maria Lopez verteilte Papier und farbiges Wachs, um sogenannte „Frottagen“ zu erstellen – eine kreative Technik, die z.B. der Surrealist Max Ernst anwandte – und so auf unmittelbare, individuelle Weise mit dem Wald in Kontakt zu treten. Pia ermutigte uns außerdem, Fotos mit unseren Mobiltelefonen aufzunehmen – eine Herangehensweise, die stark von kulturellen Erfahrungen und Routinen im Umgang mit Fotografie abhängt und das Phänomen des „Selfies“ aufgreift. Diese spielerische Übung regte ein tieferes Nachdenken darüber an, was es bedeutet, einen Wald „darzustellen“, wie „authentisch“ solche Darstellungen sind und wie stark wir auf unsere Sinne angewiesen sind, um bestimmte Arten von Erlebnissen zu schaffen.
Innovative Ansätze für den urbanen Klimaschutz
Nach einem Überblick über ihre Karriere als Künstlerin mit einem langjährigen Fokus auf Umweltthemen („Green Hour mit Eva-Maria López“) nahmen wir die Straßenbahn zum Augsburger Rathausplatz, wo wir die neueste Intervention der Künstlerin erleben durften: Eva-Marias „paper-trees“-App nutzt Augmented Reality, um angesichts zunehmender Klimafolgenprobleme eine nachhaltige und klimafreundliche Zukunft vorstellbar zu machen. Die Menge an Papier, die die Augsburger Bevölkerung in einem Jahr verbraucht, wird in der App in Bäume umgewandelt, die Schatten, frische Luft und einen klimafreundlichen und biodiversen öffentlichen Raum schaffen.
Caspar Möller erläuterte die Ziele von Miya Forest Eberswalde und stellte Beispiele für „Tiny Forests“ im innerstädtischen Raum vor. Dabei wurde deutlich, wie wichtig die Partizipation der Bevölkerung bei der Umsetzung von urbanem Klimaschutz ist. Auf dem abschließenden Panel „Digital Humanities, Kunst und Umwelt“ diskutierten Caspar Möller, Eva-Maria López, Stefan Lindl (online) und Pia Wimmer darüber, wie digitale Medien den Aufbau nachhaltigerer, klimafreundlicher Städte unterstützen können – aber auch, welche Grenzen die Digitalisierung gegenüber anderen Formen der Umwelterfahrung hat.
Im abschließenden Workshop mit Eva-Maria López setzten wir uns kreativ mit dem Wald und den Dingen auseinander, die wir dort am Morgen gefunden hatten. Es war der perfekte Rahmen, um darüber zu diskutieren, wie sich physische Begegnungen mit Blättern, Rinde, kleinen Zweigen etc. von Fotografie und digitaler Kunst unterscheiden.
Text: PD. Dr. Kirsten Twelbeck und Laura Grötsch, Internationales Doktorandenkolleg „Um(Welt)Denken“