Dabei stießen die Stipendiatinnen und Stipendiaten – rein literarisch – auf Donauwellen-Zentren der europäischen Hauptschlagader wie Wien sowie auf Peripherien wie die versunkene Binneninsel Ada Kaleh. MWP-Stipendiat Matthias Laufhütte war Teil der ‚Crew‘ aus Geförderten des MWP und der Studienstiftung und berichtet hier von seinem persönlichen akademischen Abenteuer, aus dem eine virtuelle Ausstellung hervorging, die dauerhaft auf dem Portal der Deutschen Digitalen Bibliothek veröffentlicht ist.
Wir waren ein wilder Haufen, eine bunt zusammengewürfelte Crew aus Stipendiatinnen und Stipendiaten verschiedenster Fachrichtungen, doch uns vereinte ein gemeinsamer Wunsch: die Donau, ihre verästelte Geschichte, ihre weitbekannten Diamanten und ihre versunkenen Bernsteine, als Schatz zu heben und uns mit ihren literarischen Beschreibungen zu bereichern. Was zunächst nach einem hedonistischen Unterfangen anmutete, wurde schnell zu einem Projekt, an dem wir auch eine breitere Öffentlichkeit teilhaben lassen wollten. Denn je mehr wir über die Zentren und die Peripherien, der Allgemeinheit des europäischen Flusses lernten, desto mehr wuchs der Wunsch an, diese literarischen Träume zu teilen.
Doch ich greife vor, der Hafen soll retrospektiv nicht näher erscheinen, als er uns zu Beginn der zehntägigen Odyssee war. Zu Beginn galt es, das Gebiet für unsere Fahrt zu sichten, die Kapitäninnen brachten dafür Seekarten aller möglichen Epochen mit, sodass wir die Häfen aussonderten, die wir ansteuern und dort literarische Schätze, die präsentabel sein könnten, aufladen würden.
Von Ulm geht es literarisch die Donau hinab
Von Ulm her sollten wir auf einer Zille in See stechen und damit dem Fahrwasser der Donauschwaben folgen, um ‚gebratene Tauben‘ suchen zu gehen. Wie der Ulmer Flugpionier Albrecht Berblinger besahen wir die Uferseiten, jedoch ohne abzustürzen, stürzten wir uns weiter in die Wogen und wurden von der Strömung nach Wien, dem Zentrum der ehemaligen Donaumonarchie, gespült. An dem Scharnier zwischen Orient und Okzident badeten wir frei im Bad Gänsehäufel im Donauwasser, gedachten dem Totengräber Josef Fuchs am Friedhof der Namenlosen, um von dort weiter nach Budapest zu treiben. Dort wurde uns das Ausmaß menschlicher Grausamkeit schmerzlich vorgeführt: Von den abscheulichen Morden der Nationalsozialisten an der jüdischen Bevölkerung über die blutige Schlacht, die die Wahrzeichen der Stadt, die Donaubrücken, zerstört hinterließen, hin zu den Repressionen während des kommunistischen Regimes ist es immer die Zivilbevölkerung, die an den Ufern des Flusses die großen Katastrophen des 20. Jahrhunderts überstehen musste.
Betreten ließen wir die Industrieruinen hinter uns und setzten Kurs in Richtung Belgrad. Dort betraten wir den Zwischenraum der Donaumonarchie und des Osmanischen Reiches, der sich nach jedem Konflikt wieder wie ein Phönix aus der Asche erhob und erst im Jahr 2000 seinen letzten Umsturz erlebte. Von dort stießen wir an die peripheren Ränder des Donauatlantis, Ada Kaleh, der versunkenen Festungsinsel, die fast bis 1900 eine Exklave osmanischer Kultur blieb, an der jedoch die vermeintliche Überlegenheit der Habsburger demonstriert werden sollte, bevor der Staudamm am Eisernen Tor die Insel schließlich überflutete.
Die AG-Arbeit der Geförderten mündete in eine virtuelle Ausstellung
Der Ambivalenz des Flusses gedenkend erreichten wir schließlich müde das Donaudelta, an dem wir in Sulina an der Schwarzmeerküste von Bord gingen und wussten, dass wir diese Erlebnisse nicht einfach für uns behalten könnten. Daher fanden wir uns auch anschließend im digitalen Raum zusammen und planten eine Ausstellung, die unsere Erfahrungen aufzeichnete, das Logbuch unserer Fahrt ist unter folgendem Link zu finden. Mit einer digitalen Vernissage der virtuellen Ausstellung „Entlang der Donau – Zwischen Mythen und Momenten“ Anfang 2025 konnten wir schließlich nach langer Odyssee von den Donauufern Abschied nehmen. Die Beiträge der Teilnehmenden – so vielfältig wie die Donau selbst – basieren auf Gedichten, Erzählungen, Erinnerungen und Reiseberichten.
Text: Matthias Laufhütte, Max Weber-Programm