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Sommerakademie Ljubljana: Entlang der Donau – Zwischen Mythen und Momenten

Die Sommer­aka­de­mie Ljub­ljana des Max Weber-Programms be­schäftigte sich vom 24. Au­gust bis zum 1. Sep­tem­ber 2024 in­ten­siv mit sechs Sta­tio­nen und der wechsel­vol­len Ge­schichte der eu­ropä­is­chen Großregi­on an der Do­nau. Mit­tels lite­rari­scher Tex­te und unter der An­lei­tung der bei­den ‚Ka­pitä­nin­nen‘ Dr. habil. Edit Király, Uni­versi­tät Bu­da­pest, und Dr. Oli­via Spi­ridon, Insti­tut für do­nauschwäbi­sche Ge­schichte und Lan­des­kun­de, Tü­bin­gen, folg­te die Ar­beitsgruppe „Der Do­nauraum – Zen­tren und Peri­phe­rien“ – ganz ohne See­gang – der Do­nau.

Da­bei stie­ßen die Sti­pen­dia­tin­nen und Sti­pen­dia­ten – rein lite­ra­risch – auf Do­nau­wel­len-Zentren der eu­ropä­is­chen Hauptschlagader wie Wien so­wie auf Peri­phe­rien wie die ver­sun­kene Bin­neninsel Ada Ka­leh. MWP-Sti­pen­diat Matthias Laufhütte war Teil der ‚Crew‘ aus Ge­för­der­ten des MWP und der Stu­dien­stif­tung und be­rich­tet hier von sei­nem per­sön­li­chen aka­de­mi­schen Abenteu­er, aus dem eine vir­tuelle Aus­stel­lung her­vor­ging, die dau­er­haft auf dem Por­tal der Deutschen Digi­talen Bib­lio­thek ver­öf­fent­licht ist.

Wir wa­ren ein wil­der Hau­fen, eine bunt zu­sammen­ge­wür­felte Crew aus Sti­pen­dia­tin­nen und Sti­pen­dia­ten ver­schiedens­ter Fachrich­tun­gen, doch uns ver­einte ein ge­meinsa­mer Wunsch: die Do­nau, ihre ver­ästel­te Ge­schichte, ihre weitbe­kannten Dia­man­ten und ihre ver­sun­ke­nen Bernstei­ne, als Schatz zu he­ben und uns mit ihren lite­rari­schen Be­schrei­bun­gen zu be­rei­chern. Was zu­nächst nach ei­nem he­do­nisti­schen Un­ter­fan­gen an­mu­tete, wur­de schnell zu ei­nem Pro­jekt, an dem wir auch eine brei­tere Öf­fent­lich­keit teil­ha­ben las­sen woll­ten. Denn je mehr wir über die Zen­tren und die Peri­phe­rien, der All­ge­meinheit des eu­ropä­is­chen Flus­ses lern­ten, desto mehr wuchs der Wunsch an, diese lite­rari­schen Träume zu tei­len.

Doch ich grei­fe vor, der Ha­fen soll ret­rospektiv nicht näher er­scheinen, als er uns zu Be­ginn der zehn­tägi­gen Odyssee war. Zu Be­ginn galt es, das Ge­biet für unse­re Fahrt zu sich­ten, die Ka­pitä­nin­nen brachten dafür See­kar­ten aller mög­li­chen Epo­chen mit, so­dass wir die Hä­fen aus­son­der­ten, die wir an­steu­ern und dort lite­rari­sche Schätze, die prä­sen­tabel sein könnten, auf­laden wür­den.

Von Ulm geht es literarisch die Donau hinab

Von Ulm her soll­ten wir auf einer Zille in See ste­chen und da­mit dem Fahrwas­ser der Do­nauschwaben fol­gen, um ‚ge­bra­tene Tau­ben‘ su­chen zu ge­hen. Wie der Ul­mer Flugpio­nier Alb­recht Berblinger be­sa­hen wir die Ufersei­ten, je­doch ohne ab­zu­stür­zen, stürzten wir uns wei­ter in die Wo­gen und wur­den von der Strömung nach Wien, dem Zent­rum der ehe­mali­gen Do­nau­mo­nar­chie, ge­spült. An dem Scharnier zwi­schen Ori­ent und Ok­zi­dent ba­de­ten wir frei im Bad Gän­se­häu­fel im Do­nau­was­ser, ge­dachten dem To­ten­grä­ber Josef Fuchs am Friedhof der Na­men­lo­sen, um von dort wei­ter nach Bu­da­pest zu trei­ben. Dort wur­de uns das Ausmaß menschli­cher Grausam­keit schmerz­lich vor­ge­führt: Von den ab­scheuli­chen Morden der Na­tio­nal­sozi­alis­ten an der jüdi­schen Be­völ­ke­rung über die blu­tige Schlacht, die die Wahrzei­chen der Stadt, die Do­naubrü­cken, zer­stört hin­ter­lie­ßen, hin zu den Re­pres­sio­nen wäh­rend des kommu­nisti­schen Re­gimes ist es im­mer die Zi­vil­be­völ­ke­rung, die an den Ufern des Flus­ses die gro­ßen Ka­ta­stro­phen des 20. Jahr­hun­derts über­ste­hen musste.

Be­tre­ten lie­ßen wir die In­dust­rieru­inen hin­ter uns und setz­ten Kurs in Rich­tung Bel­grad. Dort be­tra­ten wir den Zwi­schenraum der Do­nau­mo­nar­chie und des Os­ma­ni­schen Rei­ches, der sich nach je­dem Kon­flikt wie­der wie ein Phö­nix aus der Asche er­hob und erst im Jahr 2000 sei­nen letz­ten Um­sturz er­lebte. Von dort stie­ßen wir an die peri­phe­ren Rän­der des Do­nauatlan­tis, Ada Ka­leh, der ver­sun­ke­nen Fes­tungsinsel, die fast bis 1900 eine Ex­klave os­ma­ni­scher Kul­tur blieb, an der je­doch die ver­meintliche Überle­gen­heit der Habsbur­ger de­monstriert wer­den soll­te, be­vor der Staudamm am Ei­ser­nen Tor die Insel schließ­lich über­flute­te.

Die AG-Arbeit der Geförderten mündete in eine virtuelle Ausstellung

Der Am­biva­lenz des Flus­ses ge­den­kend er­reichten wir schließ­lich mü­de das Do­nau­del­ta, an dem wir in Suli­na an der Schwarzmeerküste von Bord gin­gen und wussten, dass wir diese Er­leb­nisse nicht ein­fach für uns be­hal­ten könnten. Da­her fan­den wir uns auch an­schließend im digi­talen Raum zu­sammen und plan­ten eine Aus­stel­lung, die unse­re Er­fah­run­gen auf­zeichnete, das Log­buch unse­rer Fahrt ist unter fol­gen­dem Link zu fin­den. Mit einer digi­talen Ver­nis­sage der vir­tuel­len Aus­stel­lung „Ent­lang der Do­nau – Zwi­schen My­then und Mo­men­ten“ An­fang 2025 konnten wir schließ­lich nach lan­ger Odyssee von den Do­nauufern Ab­schied neh­men. Die Bei­träge der Teil­neh­menden – so viel­fältig wie die Do­nau selbst – ba­sie­ren auf Ge­dich­ten, Er­zäh­lun­gen, Erin­ne­run­gen und Rei­sebe­rich­ten.

Text: Matthias Laufhütte, Max Weber-Programm