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Zeit für Begegnungen und Austausch: Die 8. Lindauer Tagung der Wirtschafts­wissen­schaften

Das Eli­te­netzwerk Bay­ern hatte die Ge­le­gen­heit, 12 sei­ner Mit­glie­der die Teil­nah­me an der Lin­dau­er Ta­gung der Wirt­schaftswissen­schaften zu er­mög­li­chen. Im Zent­rum der Ta­gung steht der wis­sen­schaftliche Dia­log zwi­schen No­bel­preis­trä­ge­rin­nen und No­bel­preis­trä­gern und den Y­oung Re­sear­chers aus aller Welt. Peter Kreß, Alumnus des Max We­ber-Programms, teilt seine Ein­drü­cke.

Spannende Gespräche beim Science Walk

Ich hatte die gro­ße Ehre, an der 8. Lin­dau­er Ta­gung der Wirt­schaftswissen­schaften teil­zu­neh­men – ei­nem ein­zig­arti­gen Fo­rum des wis­sen­schaftli­chen Aus­tauschs zwi­schen No­bel­preis­trä­gern und aus­ge­wählten Nachwuchswis­sen­schaftle­rin­nen und -wis­sen­schaftlern aus aller Welt. Die Ta­gung bot nicht nur fach­lich inspi­rie­ren­de Vor­trä­ge, in­ten­sive Dis­kus­sio­nen und in­ter­dis­zipli­näre Im­pul­se, son­dern auch zahl­rei­che Ge­le­gen­hei­ten für per­sön­liche Be­geg­nun­gen und tie­fer­ge­hen­den Aus­tausch. 

Ein be­son­deres Highlight war der Sci­ence Walk mit dem Wirt­schaftsno­bel­preis­trä­ger Paul Ro­mer. In klei­ner Runde spa­zier­ten wir ge­meinsam mit ihm durch die his­tori­sche Alt­stadt Lindaus und ent­lang des Bo­den­sees – eine ein­mali­ge Ge­le­gen­heit, wis­sen­schaftli­chen Dia­log in in­for­mel­ler At­mosphäre zu füh­ren. Die Dis­kus­sion dreh­te sich um aktu­elle Fra­gen der Be­steu­e­rung mul­tina­tio­naler Digi­tal­kon­zer­ne. Ro­mer be­ton­te, dass Plattformun­ter­neh­men mit zu­neh­menden Ska­len­er­trä­gen durch ihre da­ten- und codeba­sier­ten Ge­schäftsmodelle strukturel­le Wettbe­werbsvor­teile erzie­lten – Vor­teile, die mit tradi­tio­nel­len Be­steu­e­rungsan­sät­zen nur un­zu­rei­chend er­fasst wür­den. Sein Plä­do­yer: eine pro­gres­siv aus­ge­stal­tete Steuer auf Um­sätze aus digi­taler Wer­bung, die dort an­setze, wo Wert­schöpfung zweifels­frei statt­fin­de – näm­lich beim er­ziel­ten Um­satz, nicht beim ver­schiebba­ren Ge­winn. Nur so kön­ne man die Marktmacht gro­ßer Plattfor­men ef­fek­tiv ad­res­sie­ren und Fehl­an­reize im digi­talen Wettbe­werb ver­mei­den.

Austausch mit Verantwortungsträgern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft

Ebenso be­rei­chernd war der in­ter­dis­zipli­näre Aus­tausch mit No­bel­preis­trä­gern aus an­de­ren Fachrich­tun­gen. Be­son­ders ein­drucksvoll war eine ge­meinsame Dis­kus­sion mit den Phy­sik-Nobel­preis­trä­gern Ste­ven Chu und Brian Schmidt über Wis­sen­schafts- und In­no­vati­ons­poli­tik. Bei­de brachten ihre Er­fah­run­gen aus lei­ten­den Posi­tio­nen in Wis­sen­schaft und Poli­tik ein: Chu, ehe­mali­ger US-Ener­gie­mi­nister im Ka­bi­nett Obama, und Schmidt, Prä­si­dent der Australian Na­tio­nal Uni­versi­ty. Ge­meinsam mit Thomas Schafbauer, Lei­ter der Ge­schäftse­in­heit SURF bei In­fine­on, dis­ku­tier­ten sie die stra­tegi­sche Rolle von Tech-no­lo­gie­poli­tik und staat­licher För­de­rung. Da­bei wur­de deut­lich: Eu­ropa wird die In­no­vati­onsdyna­mik gro­ßer US-Tech-Kon­zerne fi­nan­ziell nicht überbie­ten kön­nen. Statt einer breit ange­leg­ten Konkur­renz sei es sinn­vol­ler, ge­zielt Ni­schen wie in­dust­rielle KI-Anwendun­gen zu för­dern und dort mit poli­ti­scher und wirt­schaftli­cher Ent­schlossen­heit eige­ne Schwer­punkte zu set­zen. Brian Schmidt machte zu­dem einen be­mer­kenswer­ten Punkt zur Rolle der Wis­sen­schaft in der Poli­tik­bera­tung: Nicht der beste Be­richt, son­dern das über Zeit auf­ge­baute Ver­trau­en zwi­schen For­schenden und Ent­scheidungsträ­gern sei ent­scheidend für poli­ti­sche Wir­kung. Eine klare Erin­ne­rung da­ran, dass ex­zell­ente Wis­sen­schaft allein nicht aus­rei­che – sie müs­se auch in glaubwür­diger Form ver­mit­telt wer­den.

Ein wei­teres fach­li­ches Highlight war der Vor­trag von Ro­bert J. Aumann, der 2005 für seine grundle­gen­den Bei­träge zur Spieltheo­rie aus­ge­zeichnet wur­de. Aumann be­leuchtete, wa­rum Men­schen ge­rade in sel­tenen oder un­na­türli­chen Ent­scheidungssi­tua­tio­nen häu­fig irra­tio­nal han­deln. Seine zent­rale The­se: Un­sere Ent­scheidun­gen be­ru­hen auf Heu­risti­ken, die über bio­logi­sche oder kul­turel­le Evo­luti­on hin­weg ver­an­kert sind. In all­tägli­chen Kon­tex­ten füh­rten diese Faustre­geln meist zu rati­ona­lem Ver­hal­ten. Doch in künstlich kon­stru­ier­ten oder ext­rem un­wahrscheinli­chen Sze­narien – wie sie bei­spielswei­se in Ex­pe­ri­men­ten zur Ver­hal­tensöko­no­mik auf­tre­ten – ver­sa­gten diese Stra­te­gien, weil sie nicht evo­luti­onär „ge­tes­tet“ seien. Die Fol­ge sind sys­te­mati­sche Feh­ler, die we­der durch bloße In­for­ma­tion noch durch Er­fah­rung leicht kor­ri­gier­bar seien.

Ein Impuls, der bleibt

Ne­ben dem wis­sen­schaftli­chen Pro­gramm präg­ten auch die ge­sell­schaftli­chen Ver­an­stal­tun­gen die be­son­dere At­mosphäre der Ta­gung. Be­son­ders in Erin­ne­rung bleibt mir der Bay­eri­sche Abend, aus­gerichtet von der Bay­eri­schen Staatsre­gie­rung – ein fest­licher Rahmen für offe­ne Ge­sprä­che, neue Bekannt­schaften und den ge­meinsa­men Blick auf die Rolle von Wis­sen­schaft in Ge­sell­schaft und Poli­tik. 

Die Teil­nah­me an der Lin­dau­er Ta­gung hat mir wertvolle Im­pulse für mei­ne wei­tere For­schung geg­eben. Die in­ten­siven Ge­sprä­che mit No­bel­preis­trä­gern, Ex­per­tin­nen und Ex­per­ten so­wie en­ga­gier­ten Nachwuchswis­sen­schaftle­rin­nen und -wis­sen­schaftlern aus aller Welt ha­ben mei­nen Blick auf die Rolle der Ökono­mik im poli­ti­schen Ent­scheidungspro­zess ge­schärft. Für mei­ne eige­ne wis­sen­schaftliche Ar­beit – die sich dem Ziel ver­schreibt, wirt­schaftswissen­schaftliche Er­kenntnis­se für ver­läss­liche Po­litik­ge­stal­tung nutzbar zu ma­chen – war die Ta­gung von un­schätzba­rem Wert. 

Mein be­son­derer Dank gilt dem Eli­te­netzwerk Bay­ern, das mir durch seine No­mi­nie­rung diese au­ßerge­wöhnli­che Er­fah­rung er­mög­licht hat.

Text: Peter Kreß