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Praxisaka­de­mie Roggen­burg

Man lasse 90 Sti­pen­dia­tin­nen und Sti­pen­dia­ten eine Wo­che mit Pra­xis­partnern ar­bei­ten, gebe ihnen ge­nü­gend Frei­zeit für ge­meinsame Jam Ses­sions, Kar­ten­spie­le oder Acro-Yo­ga und schaue, was pas­siert. Nach einer Wo­che in Roggen­burg fah­ren au­to­no­me Au­tos durch das Bil­dungs­zent­rum, ste­hen Vor­schläge für smarte Termin­ge­stal­tung auf der Beamer-Leinwand und exis­tiert ein Soundsystem aus Schlag­zeug, Gi­tar­re, Kla­vier und per App ge­steuer­tem Syn­the­si­zer.

Vielseitig, innovativ und kreativ – die Praxisakademie

Knapp 90 Sti­pen­dia­tin­nen und Sti­pen­dia­ten wa­ren En­de Sep­tem­ber im Kloster Roggen­burg in Nordbayern, um in sie­ben Ar­beitsgruppen über Themen wie au­to­no­mes Fah­ren, das film­reife Le­ben eines Steuer­fahnders oder Stressab­bau im All­tag zu dis­ku­tie­ren. Was an­fangs durch the­ore­ti­sche Im­pul­se ein­ge­führt wurde, wurde sehr schnell kon­kret um­ge­setzt:

Wer wäh­rend der AG-Sit­zun­gen auf den Gang trat, konnte leicht ei­nem selbstfah­ren­den Au­to oder einer me­di­tie­ren­den Gruppe be­geg­nen. Be­son­ders praktisch im doppel­ten Sin­ne: Ex­per­ten aus der Pra­xis plan­ten die AGs. Zwei Ge­sundheitscoa­ches be­glei­teten „Die Res­source Ge­sundheit“, die Stra­te­gie­bera­tung McKinsey leite­te die Gruppe zum Thema au­to­no­mes Fah­ren und der Steuer­fahnder war tat­sächlich vor Ort.

Die Arbeitsgruppen

Die ab­ge­deckten Themen hat­ten alle et­was ge­meinsam: Sie wa­ren viel­sei­tig – und hand­lungs­ori­en­tiert. Sie setz­ten sich zu­sammen aus:

  • AG 1: Die Mo­bil-Inte­res­sier­ten, die das Thema Mo­bili­tät im Job mit in­no­vati­ven Pro­jek­tideen be­ar­bei­tet, sich eine smarte Fahrrad-Lö­sung für den Standort überlegt oder ei­nen in­telli­gen­ten Termin­ka­len­der ent­wor­fen ha­ben.
  • AG 2: Die Gruppe, die mit einer Stra­te­gie­bera­tung tat­sächlich ei­gene Software für selbstfah­ren­de Au­tos ent­wi­ckelt hat.
  • AG 3: Die Net­flix-Gruppe, die ent­ge­gen der Munke­lei­en, sie würden nur Se­rien schauen, auch mal ei­nen Film ge­schaut hat und mit dem be­ein­dru­ckendsten Bei­trag aller beim Bun­ten Abend ge­glänzt ha­ben: einer syn­chroni­sier­ten Fol­ge der Serie House of Cards, ge­füllt mit Anekdo­ten der Akade­mie.
  • AG 4: Die Steuer­fahnder – der ein­zige Kurs, bei dem die Do­zie­ren­den klar­stel­len mussten, dass der Sinn und Zweck nicht die Um­ge­hung von Steuer­hür­den sei und nicht der Ausbil­dung kri­mi­nel­ler Ab­sich­ten die­ne.
  • AG 5: Die Ma­the­ma­ti­ker, die ma­the­ma­ti­sche Sachver­halte an­schaulich für den Rest der Mensch­heit er­klä­ren. Dank des jun­gen Teams und der fla­chen Hie­rar­chien be­gan­nen alle ihre Ses­sions zur Freude aller mit lau­ten Energi­zern (es soll­te schließ­lich kei­ner sa­gen, sie wä­ren nicht energized ge­we­sen!)
  • AG 6: Die Bilddeu­ter, die aus pä­da­go­gisch-wertvol­ler Sicht Kinder­bil­der ana­ly­siert ha­ben.
  • AG 7: Die ge­sun­de Gruppe, die ei­gentlich die ge­sam­te Wo­che durchge­hend Stress ab­ge­baut hat und nur eine Fra­ge of­fen ließ: Was ge­nau hat die­se Gruppe ei­gentlich den gan­zen Tag im Kräuter­gar­ten ver­an­stal­tet?

Zwischen Impro-Sessions, autonomen Autos und Sternwanderungen

Wenn ein de­sig­nier­ter Jazzgi­tar­rist die Lei­tung der Akade­mie übernimmt und ei­nen Do­zen­ten ein­lädt, der gleich sein ge­sam­tes Schlag­zeug im Ge­päck hat, ist ein rei­ches Frei­zeit­pro­gramm vor­pro­grammiert. Das oben be­schriebe­ne Soundsystem war schnell ge­gründet und die Abende zeich­ne­ten sich all­ge­mein durch viele Im­pro­visa­tions-Ses­sions am Kla­vier aus. Wenn ge­rade nicht am Kla­vier im­pro­vi­siert wurde, im­pro­vi­sier­te das Im­pro­visa­ti­onsthea­ter, wer morgens ei­nen Blick in den Me­dita­ti­ons­raum warf, sah dort 20 Ge­sich­ter auf ihren Atem hö­rend und wer sich nachts nach draußen wag­te, konnte einer Wan­de­rung von vie­len Stern-In­te­res­sier­ten fol­gen, die über Sternkonstel­lati­onen und Ga­laxi­en fachsim­pel­ten. Und: Es wäre kei­ne Akade­mie mit Sti­pen­dia­tin­nen und Sti­pen­dia­ten, wenn der nah ge­le­gene See bei einer Wan­de­rung nicht um­ge­hend als Weiher durch ei­nen Bio­lo­gen ent­larvt würde und es nicht ei­nen aka­de­misch hochwer­tigen Vor­trag eines ech­ten Bierbrauers ge­ge­ben hät­te.

Mein Re­sü­mee: Eine Pra­xisaka­de­mie schafft ei­nen Rahmen für eine pro­duk­tive Zu­samme­nar­beit und lässt gleichzei­tig die viel­sei­tigs­ten Inte­res­sen zu. Sie gibt die Möglich­keit, et­was Handfestes zu er­schaffen und er­laubt ein­fach mal, das ei­gene au­to­no­me Au­to zu bau­en. Sie ist der Raum für Kre­ati­vität – aber auch für ein of­fe­nes Mit­ei­nan­der. Ich werde nie ver­ges­sen, wie ein Do­zent mir je­des Mal „Hallelu­jah“ zu­sang, so­bald wir uns im Flur be­geg­ne­ten, um am nächsten Tag ge­meinsam am selbst­fah­ren­den Au­to wei­ter­zu­ar­bei­ten. Das Ar­bei­ten da­ran wurde ei­gentlich nur durch eines ge­stört: durch den Frei­tag, an dem wir Roggen­burg ver­las­sen mussten.

Text: Lisa Gotzian, Stu­dienstif­tung des deutschen Vol­kes e.V.