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MWP-Netzwerk öffnet Türen – Nora Kory im Interview

Die MWP-Alumna Nora Kory hat an der LMU München Bio­che­mie stu­diert und ist für ihre Mas­ter­ar­beit neun Mo­nate ans Whi­tehead Insti­tute for Bio­me­dical Re­se­arch/Mas­sa­chu­setts Insti­tute of Techno­logy (MIT) ge­gan­gen. Heu­te leitet die 38-Jährige ihre eige­ne, un­ab­hän­gige For­schungs­gruppe an der Har­vard T.H. Chan School of Public Health und er­mu­tigt Nachwuchskräfte, Neu­es zu wa­gen und mu­tig zu sein.

Frau Kory, Sie sind Assistant Professor an der Harvard T.H. Chan School of Public Health in Boston. Mit welchen Forschungsfragen beschäftigen Sie sich aktuell?

Ich be­schäftige mich aktu­ell da­mit, her­aus­zu­fin­den wie Mi­to­chondrien, die Kraftwer­ke und Stoffwechsel-Räume unse­rer Zel­len, Stoffwechsel­pro­duk­te und en­zymati­sche Co-Faktoren mit dem Rest der Zelle aus­tau­schen. Mi­to­chondrien spie­len eine wichtige Rolle in zent­ralen bio­logi­schen Pro­zes­sen. Um ihre viel­fälti­gen Funktio­nen zu erfül­len, tau­schen Mi­to­chondrien stän­dig Mo­lekü­le mit dem Rest der Zelle aus. Die­ser Aus­tausch er­folgt durch Transport­pro­teine in der inne­ren mi­to­chondriel­len Membran. Wir wol­len ver­ste­hen, wie diese Pro­zesse ge­nau auf mo­leku­larer Ebe­ne ab­lau­fen. Wir un­ter­su­chen au­ßer­dem, wel­che Rolle Transport­pro­zesse in Mi­to­chondrien in Alte­rungspro­zes­sen und bei Krankhei­ten wie Dia­be­tes, Krebs und neu­ro­de­gene­rati­ven Er­krankun­gen spie­len.

Sie arbeiten an einer nach Ihnen benannten universitären Einrichtung, dem „Kory Lab“. Was verbirgt sich dahinter und mit wem arbeiten Sie dort zusammen?

Ich leite eine un­ab­hän­gige For­schungs­gruppe an der Har­vard T.H. Chan School of Public Health. Un­sere Gruppe be­steht aus Postdocs und wis­sen­schaftli­chen Mit­ar­bei­terinnen und Mit­ar­bei­tern, Promo­vierenden und Stu­dierenden aus der gan­zen Welt. Mein La­bor ist Teil einer Ab­tei­lung der Har­vard T.H. Chan School of Public Health, die sich gene­rell mit Stoffwechsel­pro­zes­sen auf mo­leku­larer Ebe­ne und de­ren Kon­trolle in alte­rungsbe­ding­ten Krankhei­ten be­schäftigt. Da­her ar­bei­ten wir auch viel mit an­de­ren Gruppen in unse­rem De­partment und an­de­ren Insti­tuten in Har­vard und am MIT zu­sammen. Der For­schungs­schwer­punkt unse­res La­bors ent­wi­ckelt sich dabei in die Rich­tung, wo mein Team und ich die Mög­lich­keit se­hen, neu­es Wis­sen bei­zu­tra­gen.

Sie stammen aus Heidelberg und haben an der LMU München Molekularbiologie studiert. Welcher akademische Weg beziehungsweise welche Entscheidungen haben Sie in die USA geführt?

Da ich mich schon wäh­rend des Stu­di­ums an der LMU be­son­ders für die Re­gula­tion von Stoffwechsel­pro­zes­sen auf zell­bio­logi­scher Ebe­ne zu inte­res­sie­ren be­gann, und das Gen­zent­rum an der LMU zu der Zeit vor allem auf Struktur­bio­logie spe­ziali­siert war, habe ich früh For­schungserfah­run­gen au­ßerhalb ge­sucht, zum Bei­spiel an der ETH Zü­rich und am Max-Planck-Institut für Bio­che­mie in Mar­tins­ried. Den Schritt in die USA habe ich zu­nächst für mei­ne Mas­ter­ar­beit ge­wagt. Ich hatte dort die Mög­lich­keit, neun Mo­nate in ei­nem weltweit füh­ren­den La­bor am Whi­tehead Insti­tu­te/MIT zu ar­bei­ten. Letztend­lich hat mich die Art, wie hier in der For­schung grundle­gen­de Fra­gen ge­stellt wer­den und für de­ren Be­ant­wor­tung neue Me­tho­den ent­wi­ckelt und an­ge­wendet wer­den, an­ge­spro­chen. Des­halb habe ich mich ent­schieden, auch mei­ne Dok­tor­ar­beit und mei­nen Postdoc an der ame­rika­ni­schen Ost­küste zu ma­chen. Als ich mich auf Pro­fes­suren be­zie­hungswei­se un­ab­hän­gige Gruppen­lei­ter­stel­len be­wor­ben habe, sah ich eine Ten­ure Track Stel­le in Bos­ton als ein­mali­ge Mög­lich­keit, mein For­schungs­pro­gramm nicht nur auf­zu­bau­en, son­dern auch lang­fris­tig in neue Rich­tun­gen ent­wi­ckeln zu kön­nen.

Welche Rolle hat auf diesem Weg rückblickend das Max Weber-Programm gespielt?

Das Max We­ber-Programm hat mir die Mög­lich­keit ge­ge­ben, mich mit an­de­ren Stu­dierenden aus­zu­tau­schen, die ähn­liche Ziele ver­folg­ten, und in Kon­takt mit Men­torinennen und Men­toren zu tre­ten, die mich auf mei­nem Weg be­glei­tet ha­ben. Die­ses Netzwerk hat mir dabei Tü­ren für an­dere Sti­pen­dien und For­schungs­mög­lich­kei­ten ge­öff­net.

Heute arbeiten Sie als Professorin in Harvard. Würden Sie sagen, dass sich damit für Sie ein Traum erfüllt hat?

Als ich mein Stu­dium be­gann, hätte ich es mir si­cher nicht träumen las­sen, eines Ta­ges als Pro­fessorin in Har­vard zu ar­bei­ten. Als sich für mich zum Ende mei­ner Dok­tor­ar­beit hin her­aus­kris­talli­siert hat, dass es ein Traum für mich wäre, eine un­ab­hän­gige For­schungs­gruppe zu lei­ten, war das mei­ne Hauptmo­tiva­tion, einen Postdoc zu ma­chen und auch in den USA zu blei­ben. Das Ge­fühl, als ich zum ers­ten Mal mein La­bor be­tre­ten und ge­se­hen habe, wie mitt­ler­weile ein gan­zes Team an mei­nen Ideen ar­bei­tet, ist schon un­be­schreib­lich. Ich bin dankbar da­für, mit Kol­leginnen und Kol­legen aus aller Welt zu­sammen ar­bei­ten zu kön­nen, die sich für unse­re Fra­ge­stel­lun­gen be­geis­tern. Es ist toll, wie oft man hier Kon­takt hat zu an­de­ren For­schenden, die grundle­gen­de Zu­sammen­hän­ge ent­deckt ha­ben, und auf de­ren Ar­beit gan­ze For­schungs­fel­der be­ru­hen.

Sie haben als Promovendin und Postdoc in den USA angefangen. Inzwischen arbeiten Sie dort selbst mit Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern zusammen. Hätten Geförderte des MWP die Möglichkeit, sich bei Ihnen zu bewerben?

Die Er­fah­run­gen, die ich selbst als Mas­ter­stu­den­tin hier ge­macht habe, ha­ben mich lang­fris­tig ge­prägt und mein Team und ich ge­ben unser Wis­sen und unse­re Be­geis­te­rung für Grundla­gen­for­schung zur Rolle zellu­lärer Or­ga­nel­len im Stoffwechsel, und wie Ver­än­de­run­gen darin zu Krankhei­ten füh­ren, gerne wei­ter. Wir ha­ben inte­res­sante For­schungs­pro­jekte, an de­nen mo­ti­vier­te Stu­den­ten mit­ar­bei­ten kön­nen. Am bes­ten funk­tio­niert das im Rahmen eines Auf­ent­halts von min­des­ten fünf oder sechs Mo­na­ten, so­dass aus­rei­chend Zeit bleibt, sich im La­bor ein­zuar­bei­ten und hof­fent­lich zu einer Pub­lika­tion bei­zu­tra­gen. Inte­res­sierte Sti­pen­diatinnen und Sti­pen­dia­ten kön­nen sich gerne bei uns be­wer­ben – Mo­tiva­tion, bis­heri­ge For­schungserfah­run­gen, Ei­gen­initi­ative und No­ten sind dabei As­pek­te, auf die wir ach­ten.

Welche Empfehlung würden Sie Nachwuchskräften für eine Karriere in der Wissenschaft heute geben – egal ob in Deutschland oder den USA?

Inves­tiert in eure Aus­bil­dung und nutzt die Mög­lich­kei­ten, die euch ge­bo­ten wer­den. Setzt euch neu­en Er­fah­run­gen aus und for­dert euch selbst her­aus. Geht in ein La­bor, wo ihr lernt, fun­da­men­tale For­schungs­fra­gen zu stel­len, selb­stän­dig zu den­ken und auch tradi­tio­nelle An­nah­men und Zu­sammen­hän­ge neu zu hin­ter­fra­gen. Traut euch, neue Sa­chen, zum Bei­spiel Ex­pe­ri­men­te, aus­zu­pro­bie­ren und Feh­ler zu ma­chen – oft füh­ren diese zu neu­en und un­er­war­teten Er­kenntnis­sen.

Text: Svenja Üing, Max We­ber-Programm