Die MWP-Alumna Prof. Dr. Nora Kory ermutigt Nachwuchskräfte, Neues zu wagen und mutig zu sein.
Frau Kory, Sie sind Assistant Professor an der Harvard T.H. Chan School of Public Health in Boston. Mit welchen Forschungsfragen beschäftigen Sie sich aktuell?
Ich beschäftige mich aktuell damit, herauszufinden wie Mitochondrien, die Kraftwerke und Stoffwechsel-Räume unserer Zellen, Stoffwechselprodukte und enzymatische Co-Faktoren mit dem Rest der Zelle austauschen. Mitochondrien spielen eine wichtige Rolle in zentralen biologischen Prozessen. Um ihre vielfältigen Funktionen zu erfüllen, tauschen Mitochondrien ständig Moleküle mit dem Rest der Zelle aus. Dieser Austausch erfolgt durch Transportproteine in der inneren mitochondriellen Membran. Wir wollen verstehen, wie diese Prozesse genau auf molekularer Ebene ablaufen. Wir untersuchen außerdem, welche Rolle Transportprozesse in Mitochondrien in Alterungsprozessen und bei Krankheiten wie Diabetes, Krebs und neurodegenerativen Erkrankungen spielen.
Sie arbeiten an einer nach Ihnen benannten universitären Einrichtung, dem „Kory Lab“. Was verbirgt sich dahinter und mit wem arbeiten Sie dort zusammen?
Ich leite eine unabhängige Forschungsgruppe an der Harvard T.H. Chan School of Public Health. Unsere Gruppe besteht aus Postdocs und wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Promovierenden und Studierenden aus der ganzen Welt. Mein Labor ist Teil einer Abteilung der Harvard T.H. Chan School of Public Health, die sich generell mit Stoffwechselprozessen auf molekularer Ebene und deren Kontrolle in alterungsbedingten Krankheiten beschäftigt. Daher arbeiten wir auch viel mit anderen Gruppen in unserem Department und anderen Instituten in Harvard und am MIT zusammen. Der Forschungsschwerpunkt unseres Labors entwickelt sich dabei in die Richtung, wo mein Team und ich die Möglichkeit sehen, neues Wissen beizutragen.
Sie stammen aus Heidelberg und haben an der LMU München Molekularbiologie studiert. Welcher akademische Weg beziehungsweise welche Entscheidungen haben Sie in die USA geführt?
Da ich mich schon während des Studiums an der LMU besonders für die Regulation von Stoffwechselprozessen auf zellbiologischer Ebene zu interessieren begann, und das Genzentrum an der LMU zu der Zeit vor allem auf Strukturbiologie spezialisiert war, habe ich früh Forschungserfahrungen außerhalb gesucht, zum Beispiel an der ETH Zürich und am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried. Den Schritt in die USA habe ich zunächst für meine Masterarbeit gewagt. Ich hatte dort die Möglichkeit, neun Monate in einem weltweit führenden Labor am Whitehead Institute/MIT zu arbeiten. Letztendlich hat mich die Art, wie hier in der Forschung grundlegende Fragen gestellt werden und für deren Beantwortung neue Methoden entwickelt und angewendet werden, angesprochen. Deshalb habe ich mich entschieden, auch meine Doktorarbeit und meinen Postdoc an der amerikanischen Ostküste zu machen. Als ich mich auf Professuren beziehungsweise unabhängige Gruppenleiterstellen beworben habe, sah ich eine Tenure Track Stelle in Boston als einmalige Möglichkeit, mein Forschungsprogramm nicht nur aufzubauen, sondern auch langfristig in neue Richtungen entwickeln zu können.
Welche Rolle hat auf diesem Weg rückblickend das Max Weber-Programm gespielt?
Das Max Weber-Programm hat mir die Möglichkeit gegeben, mich mit anderen Studierenden auszutauschen, die ähnliche Ziele verfolgten, und in Kontakt mit Mentorinennen und Mentoren zu treten, die mich auf meinem Weg begleitet haben. Dieses Netzwerk hat mir dabei Türen für andere Stipendien und Forschungsmöglichkeiten geöffnet.
Heute arbeiten Sie als Professorin in Harvard. Würden Sie sagen, dass sich damit für Sie ein Traum erfüllt hat?
Als ich mein Studium begann, hätte ich es mir sicher nicht träumen lassen, eines Tages als Professorin in Harvard zu arbeiten. Als sich für mich zum Ende meiner Doktorarbeit hin herauskristallisiert hat, dass es ein Traum für mich wäre, eine unabhängige Forschungsgruppe zu leiten, war das meine Hauptmotivation, einen Postdoc zu machen und auch in den USA zu bleiben. Das Gefühl, als ich zum ersten Mal mein Labor betreten und gesehen habe, wie mittlerweile ein ganzes Team an meinen Ideen arbeitet, ist schon unbeschreiblich. Ich bin dankbar dafür, mit Kolleginnen und Kollegen aus aller Welt zusammen arbeiten zu können, die sich für unsere Fragestellungen begeistern. Es ist toll, wie oft man hier Kontakt hat zu anderen Forschenden, die grundlegende Zusammenhänge entdeckt haben, und auf deren Arbeit ganze Forschungsfelder beruhen.
Sie haben als Promovendin und Postdoc in den USA angefangen. Inzwischen arbeiten Sie dort selbst mit Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern zusammen. Hätten Geförderte des MWP die Möglichkeit, sich bei Ihnen zu bewerben?
Die Erfahrungen, die ich selbst als Masterstudentin hier gemacht habe, haben mich langfristig geprägt und mein Team und ich geben unser Wissen und unsere Begeisterung für Grundlagenforschung zur Rolle zellulärer Organellen im Stoffwechsel, und wie Veränderungen darin zu Krankheiten führen, gerne weiter. Wir haben interessante Forschungsprojekte, an denen motivierte Studenten mitarbeiten können. Am besten funktioniert das im Rahmen eines Aufenthalts von mindesten fünf oder sechs Monaten, sodass ausreichend Zeit bleibt, sich im Labor einzuarbeiten und hoffentlich zu einer Publikation beizutragen. Interessierte Stipendiatinnen und Stipendiaten können sich gerne bei uns bewerben – Motivation, bisherige Forschungserfahrungen, Eigeninitiative und Noten sind dabei Aspekte, auf die wir achten.
Welche Empfehlung würden Sie Nachwuchskräften für eine Karriere in der Wissenschaft heute geben – egal ob in Deutschland oder den USA?
Investiert in eure Ausbildung und nutzt die Möglichkeiten, die euch geboten werden. Setzt euch neuen Erfahrungen aus und fordert euch selbst heraus. Geht in ein Labor, wo ihr lernt, fundamentale Forschungsfragen zu stellen, selbständig zu denken und auch traditionelle Annahmen und Zusammenhänge neu zu hinterfragen. Traut euch, neue Sachen, zum Beispiel Experimente, auszuprobieren und Fehler zu machen – oft führen diese zu neuen und unerwarteten Erkenntnissen.
Text: Svenja Üing, Max Weber-Programm