Ein hochkarätiges Programm
Das Konzept der Lindauer Nobelpreisträgertagungen ist so einfach wie einzigartig: Rund 40 Nobelpreisträgerinnen und Nobelpreisträger treffen sich eine Woche lang mit 600 Nachwuchsforschenden aus der ganzen Welt im malerischen Lindau. Als Doktorand im Bereich Quanteninformatik am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in München hatte ich das Privileg, an der diesjährigen Tagung teilzunehmen, die der Physik gewidmet war. Jeder Tag bestand aus Vorträgen, Diskussionen und Fragerunden von und mit den Preisträgerinnen und Preisträgern, wurde aber durch eine Vielzahl von Aktivitäten aufgelockert. Von einem Grillfest am See über ein Abendessen, bei dem nicht nur Dirndl und Lederhose sondern traditionelle Kleidung aus den verschiedensten Herkunftsländern der Teilnehmenden getragen wurden, bis hin zu einer Bootsfahrt zur Insel Mainau am letzten Tag - die sechs Tage waren vollgepackt mit Gelegenheiten, sich mit den Preisträgerinnen und Preisträgern und anderen jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auszutauschen.
Außergewöhnliche Begegnungen im Zeichen des „Lindau Spirit“
Vor dem Treffen war ich ziemlich unsicher, wie es sich anfühlen würde, die Nobelpreisträgerinnen und Nobelpreisträger persönlich zu treffen. Efim Zelmanov - selbst Fields-Medaillengewinner und „special guest“ dank der Schwesterveranstaltung Heidelberg Forum – erinnerte sich zu Beginn seines Vortrags daran, dass solch herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in seiner Jugend in der Sowjetunion den Status von „Halbgöttern“ hatten. Dies entsprach in etwa meinem Gefühl vor dem Treffen, aber es wurde sofort von dem abgelöst, was man den „Lindauer Geist“ nennt: eine Atmosphäre der Offenheit, Neugier und Ungezwungenheit, die in jedem Gespräch zu spüren war. Die Fragen der jungen Teilnehmenden reichten von wissenschaftlichen bis hin zu persönlichen Themen, von spezifischen Forschungsfragen bis hin zu allgemeinen Ratschlägen für das Leben - und die Preisträgerinnen und Preisträger waren immer bereit, mit einer Fülle von Anekdoten aus ihrer Forschung und Lebenserfahrung zu antworten.
Zu den Höhepunkten gehörte für mich das Gespräch mit Steven Chu über die Frage, welche wissenschaftlichen Einrichtungen wirklich innovative Forschung fördern - und die Gedanken, die er während seiner mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Arbeit in legendären Einrichtungen wie den Bell Labs und bei der Gründung neuer Forschungseinrichtungen wie ARPA-E in seiner späteren Funktion als US-Energieminister entwickelt hat. Oder von Gerard 't Hooft zu hören, wie wichtig für ihn mathematische Präzision in der theoretischen Physik ist, und zu erfahren, welche Ansichten er über Jahrzehnte hinweg darüber entwickelt hat, was erfolgreiche Theoriearbeit ausmacht. Oder Anton Zeilinger und Serge Haroche, die mit unkonventionellen Experimenten Neuland betreten haben, zu fragen, was die ihrer Meinung nach wichtigsten Fragen in der Quantenoptik sind, an denen noch niemand arbeitet. Die Liste der Highlights ließe sich fortsetzen, aber sie hört nicht bei den Preisträgerinnen und Preisträgern auf - die jungen Forscherinnen und Forscher verwandelten jede Warteschlange und jede Kaffeepause in einen Mini-Vortrag über ein neues Gebiet der Physik und in eine Demonstration der Energie, mit der die Grenzen der Wissenschaft verschoben werden.
Inspiration für die eigene Forschung
Es wurde deutlich, dass alle Preisträgerinnen und Preisträger gewisse Eigenschaften teilten: eine außergewöhnliche Leidenschaft, extrem harte Arbeit und den Mut, unkonventionellen Fragen nachzugehen. Ebenso interessant und sogar noch unerwarteter war jedoch, wie sehr sich die Preisträgerinnen und Preisträger in allen anderen Aspekten ihrer Persönlichkeit und Geschichte unterschieden - ein inspirierender Hinweis darauf, dass bahnbrechende Forschung aus allen Richtungen kommen kann und oft eine einzigartige Perspektive erfordert. In der Tat ist „Inspiration“ die beste Zusammenfassung dessen, was die Lindauer Tagung ausmacht - neue Motivation, das große Ganze der Physik zu sehen, und ein neuer Ansporn, jeden Tag nach interessanter Forschung zu streben. Ich bin dankbar für diese Einblicke, die besonders zu Beginn meiner Promotion sehr wertvoll sind, und ich danke dem Elitenetzwerk Bayern und den Lindauer Organisatoren für die Möglichkeit der Teilnahme.
Text: Maximilian Lutz
Link zur Mediathek der Lindauer Nobelpreisträgertagung