Im Keller der ehe­mali­gen Reichsbank
In der Kurstraße 36, etwas abseits vom diplomatischen Tagesgeschäft und Trubel, wird das Gedächtnis des Auswärtigen Amts verwahrt. In Tresoren der ehemaligen Reichsbank lagern hier Verträge, Dokumente und Akten im beträchtlichen Umfang von 27 Regalkilometern, von denen die meisten eine Zeitspanne von 1871 bis in die jüngste Vergangenheit abdecken.
Zunächst war die Geschichte von Archiv und Gebäude selbst von Interesse. Im Rahmen einer einstündigen Führung durch die unterirdischen Depots konnten wir u.a. wichtige Dokumente der deutschen und europäischen Geschichte im Original sehen und uns zur Geschichte der Bestände sowie zu Verwahrung, Digitalisierung und Restaurierung von Dokumenten austauschen.
Zeit für eigene Forschungsprojekte
Im zweiten Teil des Besuchs standen dann die eigenen Forschungsinteressen im Vordergrund. Wir hatten bereits im Vorfeld Kontakt zum Archiv aufgenommen, und nach individueller Beratung vor Ort lagen nun Aktenbestände zur Einsicht für uns bereit. Die meisten Studierenden waren im Rahmen eines Hauptseminars zum Thema „Minderheiten und Identitätspolitik im osmanischen Reich und der Republik Türkei“ mitgereist und hatten damit in Verbindung stehende Forschungsfragen im Gepäck.
Das Spektrum reichte dabei von den Aktivitäten albanischer Intellektueller im ausgehenden 19. Jahrhundert über muslimische Kriegsflüchtlinge aus den Balkanstaaten kurz vor dem Ersten Weltkrieg bis hin zu deutschen Aussteigern, die nach 1968 im Nahen Osten reisten und oftmals auch strandeten.
Fundstücke und Dechiffrierungen
Zurück in Bamberg bereicherten die Ergebnisse und auch Herausforderungen der Archivrecherchen dann unsere Diskussionen im Seminar. Hier standen neben der Vielfalt des Materials und dem Austausch über die oft unerwarteten Fundstücke auch die Entzifferung der schwungvollen, im 19. Jahrhundert üblichen Kurrentschrift im Vordergrund. Für Studierende, die den Umgang mit arabischen und osmanischen Handschriften gewöhnt sind, war das eine neue Erfahrung, bei der sie aber auf Strategien aus dem Orientalistikstudium durchaus zurückgreifen konnten.
Text: Elitestudiengang „Kulturwissenschaften des Vorderen Orients“