Parallelwelten der Malediven
Schneeweiße Palmenstrände, kristallklares Wasser und romantische Holzbungalows – diese Bilder kommen wohl den meisten Menschen als Erstes vor Augen, wenn sie an die Malediven denken. Doch abseits dieser Urlaubsprospektfotos mit Trauminseln, die sich in Extravaganz und Luxus ständig selbst zu übertrumpfen versuchen, existiert eine kleine Inselnation, der diese Welt fremder nicht sein kann. Im Rahmen seines dreimonatigen Forschungsaufenthalts auf den Malediven bekam Sebastian Steibl die einmalige Chance, diese „echten Malediven“ zu erleben und so auch eine Facette dieses Landes kennenzulernen, welche den meisten Touristen vollkommen verborgen bleibt.
Ziel­set­zung des For­schungsauf­ent­halts
Ziel seiner Arbeit war es, herauszufinden, ob und inwiefern unterschiedliche menschliche Aktivitäten einen Einfluss auf kleine (Insel-)Ökosysteme nehmen. Das Problem an solchen Fragestellungen ist allerdings, dass die verschiedenen Einflussfaktoren nur schwer trennbar sind und somit meistens ungeklärt bleibt, wie sich einzelne Faktoren, zum Beispiel Tourismus oder Fischerei, ganz konkret auswirken. Da die Malediven aus knapp 1.200 kleinen Inseln bestehen, die entweder nur von der lokalen Bevölkerung bewohnt und für Fischerei genutzt werden, oder die nur ein Resort für den internationalen Tourismus beherbergen, stellte diese Inselgruppe somit ein ideales Freiluftlabor für die Arbeit von Sebastian Steibl dar, wo er räumlich eindeutig voneinander abgegrenzt diese beiden menschlichen Nutzungstypen untersuchen konnte. Zusätzlich gibt es eine große Anzahl unbewohnter Inseln, die ihm als Referenz für den unberührten, natürlichen Zustand eines Inselökosystems dienten.
Von den knapp 1.200 Inseln sind nur ca. 200 von der lokalen Bevölkerung, den Divehis, bewohnt und weitere ca. 100 Inseln werden als Resorts für den internationalen Tourismus genutzt. Dies bedeutet daher, neben idealen Voraussetzungen für die Forschung, auch eine äußerst strikte Trennung der einheimischen Bevölkerung von den internationalen Besuchern, welche in dieser Form bewusst von der maledivischen Regierung durch entsprechende Gesetze erzwungen wurde.
Die eigentlichen Malediven sind ein streng sunnitischislamisches Land. Während die Touristen auf den Resorts in Bikini und Badehose das Inselparadies mit einem Cocktail genießen, herrscht auf den Inseln der einheimischen Bevölkerung strengstes Alkoholverbot und ein Kopftuchgebot für Frauen; Rauchen und der Kauf von Zigaretten ist Frauen vollständig untersagt und immer wieder liest man Berichte von Frauen, die für vorehelichen Sex mit Peitschenhieben bestraft werden sollen. Diese extremen Gegensätze wurden Sebastian Steibl immer wieder vor Augen geführt, wenn er im Rahmen seiner Arbeit zwischen Touristen- und Einheimischen-Inseln gependelt ist.
Wer Lust hat, einmal aus der Arbeitsroutine der Universität auszubrechen, den kann man nur dazu ermuntern, einen Auslandsaufenthalt in einem entlegenen Land abseits universitärer Strukturen und westlicher Kultur durchzuführen. Die komplette Selbstorganisation und Selbstverantwortung sind in Sebastian Steibls Augen noch einmal um einiges anspruchsvoller, aber auch lehrreicher, als einfach nur an einer ausländischen Universität zu studieren bzw. zu forschen. Auch wenn solche Feldarbeiten in exotischen Ländern vor allem in der Planung mehr Zeit beanspruchen als normale Auslandsaufenthalte, wird man mit einer einmaligen Erfahrung belohnt und kann danach auf ein abgeschlossenes Projekt zurückblicken, von dem man mit gutem Gewissen behaupten kann, es in kompletter Eigenregie von der ersten Idee bis hin zur fertigen Studie gemeistert zu haben.
Text: Sebastian Steibl, Max Weber-Stipendiat, Universität Bayreuth