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For­schung vor Ort auf den Male­di­ven

For­schen, wo andere Urlaub ma­chen: Der Frage, wie menschliche Aktivi­täten einen Ein­fluss auf kleine (In­sel-)Ökosysteme neh­men, ging Max We­ber-Sti­pendi­at Se­bastian Steibl von der Uni­versität Bay­reuth nach. Für seine Mas­terar­beit im Fach­bereich Mole­kulare Öko­logie forsch­te er von Januar bis März 2017 auf den Male­diven im Atoll Marine Centre (Naifa­ru) und wurde dabei vom Max We­ber-Pro­gramm mit „For­schung vor Ort“ unter­stützt.

Parallelwelten der Malediven

Schnee­weiße Pal­menstrände, kris­tallkla­res Wasser und roman­tische Holz­bunga­lows – diese Bilder kom­men wohl den meis­ten Men­schen als Erstes vor Augen, wenn sie an die Male­diven den­ken. Doch abseits dieser Ur­laubsprospektfotos mit Trauminseln, die sich in Extra­vaganz und Luxus ständig selbst zu über­trump­fen versu­chen, exis­tiert eine kleine Insel­nation, der diese Welt frem­der nicht sein kann. Im Rah­men seines drei­mona­tigen For­schungsauf­ent­halts auf den Male­diven bekam Sebas­tian Steibl die einma­lige Chan­ce, diese „ech­ten Male­diven“ zu er­leben und so auch eine Facette dieses Landes ken­nenzu­lernen, welche den meis­ten Touris­ten voll­kom­men ver­borgen bleibt.

Ziel­set­zung des For­schungsauf­ent­halts

Ziel seiner Arbeit war es, her­auszu­finden, ob und inwie­fern un­ter­schied­liche menschliche Aktivi­täten einen Ein­fluss auf kleine (In­sel-)Ökosysteme neh­men. Das Prob­lem an sol­chen Fra­ge­stel­lungen ist al­ler­dings, dass die ver­schie­denen Ein­fluss­fakto­ren nur schwer trenn­bar sind und somit meis­tens unge­klärt bleibt, wie sich einzel­ne Fakto­ren, zum Bei­spiel Tou­rismus oder Fische­rei, ganz konk­ret aus­wir­ken. Da die Male­diven aus knapp 1.200 kleinen Inseln beste­hen, die ent­weder nur von der lokalen Bevöl­kerung be­wohnt und für Fische­rei ge­nutzt wer­den, oder die nur ein Resort für den inter­natio­nalen Tou­rismus beher­bergen, stellte diese Insel­gruppe somit ein ideales Frei­luftla­bor für die Arbeit von Sebas­tian Steibl dar, wo er räum­lich ein­deutig vonei­nander abge­grenzt diese beiden menschli­chen Nut­zungs­typen unter­suchen konn­te. Zu­sätz­lich gibt es eine große Anzahl unbe­wohn­ter Inseln, die ihm als Refe­renz für den unbe­rühr­ten, natür­lichen Zu­stand eines In­selöko­sys­tems dien­ten.

Von den knapp 1.200 Inseln sind nur ca. 200 von der lokalen Bevöl­ke­rung, den Dive­his, be­wohnt und weitere ca. 100 Inseln wer­den als Re­sorts für den inter­natio­nalen Tou­rismus ge­nutzt. Dies be­deu­tet daher, neben idealen Vo­raus­set­zungen für die For­schung, auch eine äußerst strikte Tren­nung der ein­heimi­schen Bevöl­kerung von den inter­natio­nalen Besu­chern, welche in die­ser Form be­wusst von der male­divi­schen Regie­rung durch ent­spre­chende Geset­ze er­zwun­gen wur­de.

Die ei­gentli­chen Male­diven sind ein streng sunni­tisch­islami­sches Land. Wäh­rend die Touris­ten auf den Re­sorts in Bikini und Bade­hose das Insel­para­dies mit einem Cock­tail ge­nie­ßen, herrscht auf den Inseln der ein­heimi­schen Bevöl­kerung strengstes Alko­hol­verbot und ein Kopf­tuch­gebot für Frau­en; Rau­chen und der Kauf von Ziga­retten ist Frauen voll­ständig un­ter­sagt und immer wieder liest man Berich­te von Frau­en, die für vor­eheli­chen Sex mit Peit­schen­hieben be­straft wer­den sollen. Diese extre­men Ge­gens­ätze wur­den Sebas­tian Steibl immer wieder vor Augen ge­führt, wenn er im Rah­men seiner Arbeit zwi­schen Touris­ten- und Ein­heimi­schen-Inseln gepen­delt ist.

Herausforderungen der Freilandarbeit


Wenn man sich dafür ent­schei­det, Frei­land­arbei­ten im Aus­land durch­zufüh­ren, besteht in der Regel nicht die Mög­lich­keit, nach dem „Tri­al-and-Error“-Prinzip viele Vor­versu­che auszu­probie­ren. Wäh­rend man bei Labor­arbei­ten oder Frei­land­studien in nä­herer Umge­bung viel testen und not­falls ge­schei­terte Expe­rimen­te in abge­änder­ter Form noch einmal korri­gieren kann, gibt es bei sol­chen Frei­land­projek­ten nur genau einen Schuss. Des­halb stand dem drei­mona­tigen For­schungsauf­enthalt von Sebas­tian Steibl auch zu­nächst eine über einjäh­rige Pla­nungs- und Vorbe­rei­tungs­phase gegen­über, in der er sich das Wissen über alle mögli­chen Gege­benhei­ten vor Ort theore­tisch aneig­nen muss­te. In vielen Dis­kussi­ons­runden mit seinem Be­treuer und ande­ren Profes­soren musste dann auch das gesam­te me­thodi­sche Vor­gehen erar­beitet wer­den, denn das stark limi­tierte Zeit­fenster von nur drei Mona­ten erlaubt nicht viel Raum für Flexi­bilität oder spon­tane Ände­run­gen.

Deshalb hieß es für ihn auch jeden Tag, meis­tens begin­nend mit Son­nen­auf­gang, Versu­che durch­zufüh­ren und Proben zu sam­meln. For­schung dort zu betrei­ben, wo andere Urlaub ma­chen, heißt näm­lich auch, dass man mit kilo­weise Equipment und Aus­rüs­tung am Strand schwitzt und arbei­tet, wäh­rend um einen herum alle Leute die Sonne genie­ßen und im Meer baden. Doch das alles wird auch sofort ent­schä­digt, wenn man von seinem Ar­beits­platz fast täglich Haie, Ro­chen oder eine Grup­pe vorbei­zie­hender Del­fine be­obach­ten kann!

Auf in die Ferne!

Wer Lust hat, einmal aus der Ar­beits­routine der Uni­versität auszu­bre­chen, den kann man nur dazu ermun­tern, einen Aus­lands­auf­enthalt in ei­nem entle­genen Land abseits univer­sitärer Struk­turen und westli­cher Kultur durch­zufüh­ren. Die kom­plette Selbst­organi­sation und Selbst­ver­ant­wor­tung sind in Sebas­tian Steibls Augen noch einmal um einiges an­spruchsvoller, aber auch lehrrei­cher, als einfach nur an einer aus­ländi­schen Uni­versität zu stu­dieren bzw. zu for­schen. Auch wenn solche Feld­arbei­ten in exoti­schen Län­dern vor allem in der Pla­nung mehr Zeit bean­spru­chen als norma­le Aus­lands­auf­enthal­te, wird man mit einer einma­ligen Erfah­rung be­lohnt und kann danach auf ein abge­schlos­senes Projekt zu­rück­bli­cken, von dem man mit gutem Gewis­sen be­haup­ten kann, es in kom­pletter Eigen­regie von der ersten Idee bis hin zur ferti­gen Studie ge­meis­tert zu ha­ben.

Text: Sebastian Steibl, Max Weber-Stipendiat, Universität Bayreuth