Von Nobelvorträgen, offenen Gesprächen und neuen Perspektiven
Schon bei der Eröffnung war zu spüren: Diese Woche würde außergewöhnlich werden. Mehr als 30 Nobelpreisträgerinnen und Nobelpreisträger und rund 600 junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der ganzen Welt kamen am Bodensee zusammen und trotz der beeindruckenden Titel und Leistungen war die Atmosphäre von Anfang an offen, neugierig und nahbar. Als Doktorandin am Lehrstuhl für Technische Elektrochemie der TU München hatte ich die Ehre, an der Tagung teilzunehmen, die in diesem Jahr ganz im Zeichen der Chemie stand.
Die Vormittage begannen mit inspirierenden Vorträgen der Nobelpreisträgerinnen und Nobelpreisträger, die von bahnbrechenden wissenschaftlichen Entdeckungen bis hin zu persönlichen Einblicken in Karrierewege, Rückschläge und Forschungsethik reichten. In den nachmittäglichen Open Exchange Sessions, Science Walks oder ganz einfach bei einem Kaffee auf der Terrasse bot sich immer wieder die Gelegenheit zum offenen Austausch.
Ein ganz besonderes Highlight war der Bayerische Abend, ein interkulturelles Fest mit Blasmusik, bayerischem Buffet und traditioneller Kleidung aus aller Welt. Am letzten Tag brachte eine gemeinsame Bootsfahrt zur Insel Mainau noch einmal alle Teilnehmenden zusammen - ein stimmungsvoller Abschluss einer intensiven Woche.
Der „Lindau Spirit“ - Wissenschaft mit Menschlichkeit
Was mich am meisten beeindruckt hat, war die Vielfalt der Persönlichkeiten unter den Nobelpreisträgerinnen und Nobelpreisträgern, nicht nur in ihrer Forschung, sondern auch in ihren Überzeugungen, Denkweisen und Lebenswegen.
Besonders spannend war für mich der Vortrag von John Jumper, der mit AlphaFold neue Maßstäbe in der Strukturvorhersage von Proteinen setzt, sowie der Austausch mit Steven Chu, der über seine Zeit in den Bell Labs und seine Erfahrungen als US-Energieminister sprach. Beide machten deutlich: Wissenschaft ist kein geradliniger Weg, sondern geprägt von Umwegen, Zweifeln und der Bereitschaft, neue Pfade zu gehen. Ein Zitat von Enrico Fermi, das während der Woche mehrfach genannt wurde, bringt diesen Geist treffend auf den Punkt: „There are two possible outcomes: if the result confirms the hypothesis, then you've made a measurement. If the result is contrary to the hypothesis, then you've made a discovery.“ Diese Perspektive - Forschung als ständiges Suchen, auch jenseits der eigenen Erwartungen - hat mich tief beeindruckt und wird mir lange im Gedächtnis bleiben. Auch Reinhard Genzel, den ich beim Laureate Lunch erleben durfte, nahm sich viel Zeit für unsere Fragen, ob es um Dark Matter, akademische Laufbahnen oder Teamführung in der Forschung ging.
Neben den Gesprächen mit den Laureates war für mich der Austausch mit anderen jungen Forschenden besonders bereichernd. Jede Busfahrt, jede Wartezeit wurde für Diskussionen genutzt, sei es über Enzymkatalyse, PFAS-Wasserreinigung oder Science Policy. Es war inspirierend zu sehen, wie viel Neugier, Idealismus und Engagement junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt in ihre Arbeit einbringen.
Inspiration und Erinnerungen, die bleiben
Ich bin sehr dankbar für diese besondere Erfahrung und dafür, dass das Elitenetzwerk Bayern mir die Teilnahme ermöglicht hat. Neben vielen schönen Erinnerungen kehre ich mit frischer Motivation, einem gestärkten Selbstverständnis als Wissenschaftlerin und zahlreichen neuen Kontakten von dieser Woche zurück. Der „Lindau Spirit“ wirkt nach - in Gesprächen, Gedanken und ganz sicher auch in meiner weiteren Forschung.
Text: Vivian Meier (Technische Universität München)