Flexible Schreiber in der Sprachgeschichte
Wir variieren ständig bei der Verwendung von Sprache. Dabei passen wir uns unter anderem unterschiedlichen Situationen und Gesprächspartnern an, verändern Wortschatz und Grammatik je nach aktueller Stimmung. Die Internationale Nachwuchsforschungsgruppe überträgt die Beobachtungen der modernen Soziolinguistik zur internen sprachlichen Variabilität in die Sprachgeschichte und stellt die Frage, ob auch historische Schreiberinnen und Schreiber sprachliche Flexibilität zeigten.
Die Nachwuchsforschungsgruppe in der Übersicht
Standort | Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg |
Anbindung | Elitestudiengang „Ethik der Textkulturen“ |
Projektdauer | 2017–2022 |
Leitung | Dr. Markus Schiegg E-Mail an Dr. Markus Schiegg senden |
Weitere Informationen | Webpräsenz Flexible Schreiber in der Sprachgeschichte |
Flexible Schreiber und Sprachgeschichte
Als Datengrundlage für die Untersuchungen dienen hauptsächlich Briefe und weitere Texte von ehemaligen Patientinnen und Patienten psychiatrischer Anstalten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. In diesen Institutionen, die im Zuge der Institutionalisierung der Psychiatrie im 19. Jahrhundert in großer Anzahl in den deutschen Ländern entstanden sind, herrschte die Praxis, bestimmte Briefe nicht abzuschicken, sondern den Patientenakten beizulegen, wo diese seitdem meist unbeachtet schlummern.
Im Rahmen der Forschungsarbeit der Nachwuchsforschungsgruppe „Flexible Schreiber in der Sprachgeschichte“ widmen wir uns diesen Briefen aus interdisziplinärer Perspektive und erstellen zunächst ein elektronisches und frei zugängliches Briefkorpus mit Material aus Süddeutschland (psychiatrische Anstalt Irsee/Kaufbeuren), Norddeutschland und Großbritannien (siehe http://copadocs.de).


Die Struktur einer Nachwuchsforschungsgruppe bietet mit ihrer attraktiven Förderung optimale Rahmenbedingungen zur eigenständigen Erarbeitung eines neuen Forschungsthemas im Team mit Nachwuchstalenten verschiedener Qualifikationsstufen.
Dr. Markus Schiegg
Dieses untersuchen wir anschließend hinsichtlich der Hypothese, dass sich auch „einfache Schreiber“ bewusst für den Einsatz unterschiedlicher sprachlicher Register und damit auch unterschiedlicher (Bündel von) Varianten entscheiden konnten.
Methoden, Ziele und ethische Relevanz
Die Internationale Nachwuchsforschungsgruppe „Flexible Schreiber in der Sprachgeschichte“ entwickelt dabei Methoden zur Kombination funktionaler mit strukturellen Herangehensweisen an sprachliche Variation und schließt an eine integrative Theoriebildung in der Variationsforschung an. Die Spezifik dieses Korpus erlaubt es darüber hinaus, den Einfluss von Alter und/oder Krankheiten auf den Sprachgebrauch zu analysieren, und leistet dabei Pionierarbeit im Bereich einer Historischen Patholinguistik.
Ethische Relevanz erhält das Projekt durch die Untersuchung von Textbewertungen, der Zensurpraxis und der Legitimation von Wissen und Macht – schließlich ergreifen die Patientinnen und Patienten mit ihren Erfahrungen im psychiatrischen Kontext nun selbst das Wort, welches ihnen damals verwehrt wurde.
Die Internationale Nachwuchsforschungsgruppe kooperiert mit dem Elitestudiengang „Ethik der Textkulturen“ der Universitäten Erlangen-Nürnberg und Augsburg.
Weitere Kooperationen
Universität Salzburg | Fachbereich Germanistik, Stephan Elspaß |
Universität Flensburg | Institut für Sprache, Literatur und Medien, Nils Langer |
Université de Lausanne | Anglistische Linguistik, Anita Auer |
University of Wisconsin | Department of German, Joseph Salmons |
Universität Regensburg | Lehrstuhl für Deutsche Sprachwissenschaft, Paul Rössler |
Bezirkskrankenhaus Kaufbeuren | Albert Putzhammer |